Der Tagesspiegel
12 Mai 2005
Armenier – Bundestag will nicht von Völkermord sprechen
Berlin – Der Bundestag will in einer gemeinsamen Initiative aller
Fraktionen der Massaker vor 90 Jahren an den Armeniern gedenken,
dabei aber voraussichtlich den Begriff Völkermord vermeiden. Das
zeichnet sich ab, nachdem der Auswärtige Ausschuss sich am Mittwoch
erstmals mit einem Antrag der Union zum Thema befasste. Auch in ihm
wird das Wort Völkermord vermieden – auch aus Rücksicht auf die
Türkei, die sich durch die Debatten im deutschen Parlament ohnehin
provoziert sieht. Einzelne Abgeordnete, darunter Markus Meckel von
der SPD, wollen, dass der Begriff Völkermord auch im Beschlusstext
auftaucht, haben sich damit aber bisher nicht durchsetzen können.
Die Botschafterin Armeniens in Berlin, Karine Kazinian, appellierte
an die Abgeordneten des Bundestages, den Völkermord vor 90 Jahren
auch klar so zu benennen. Sie sagte dem Tagesspiegel: „Die
Abgeordneten wissen genauso gut wie ich, dass es ein Genozid war. Sie
sollten Herz und Verstand zusammennehmen und keine halben Schritte
machen – und die Dinge so benennen, wie sie waren.` Der türkische
Botschafter in Berlin, Ali Irtemcelik, hatte zuvor im Zusammenhang
mit dem Antrag der CDU/CSU vor „plumper Verleumdung der türkischen
Geschichte` gewarnt. Die Initiative im Bundestag „kann offensichtlich
keinem guten Zweck dienen`, schrieb Irtemcelik in einer harschen
Protestnote.Matthias Meisner