Wo Noah abstieg; Eine Reise durch Armenien (SWR)

Frankfurter Allgemeine Zeitung
25. Mai 2005

Wo Noah abstieg; Eine Reise durch Armenien (SWR)

In Armenien, da irgendwo am Rande des Abendlandes, materialisieren
sich Mythen und Historie, verdichten sich europÀische Kultur und die
Schrecken des zwanzigsten Jahrhunderts. Noah, so erzÀhlt ein
berĂŒhmtes Bild aus der armenischen Nationalgalerie, stieg hier nach
der Sintflut vom Berg Ararat herab.

Durch das Land fĂŒhrt die Seidenstraße, auf der auch GewĂŒrze und
Porzellan nach Europa reisten. Altgriechische Tempel und Höhlendörfer
zeigt die Kamera und den segnenden Katholikos, das Oberhaupt der
christlichen armenischen Kirche. Sie zeigt auch Bilder aus dem Archiv
des Senders Radio Eriwan, die den tĂŒrkischen Völkermord an den
Armeniern 1915 grausam greifbar machen. Filmautor Christoph-Michael
Adam fĂŒhrt den Betrachter durch zerfallende Wohnsiedlungen aus der
Sowjetzeit. Die Menschen, deren HĂ€user abgerissen werden, wissen noch
nicht, ob sie eine EntschÀdigung erhalten. Das Erdbeben vor siebzehn
Jahren, in dem 25 000 Menschen umkamen, hat viele Armenier heimatlos
gemacht und in Baracken und Bauwagen getrieben. Dort leben manche
noch heute. Die Durchschnittsrente betrĂ€gt fĂŒnfzehn Euro, manche
Menschen tragen PlastiktĂŒten anstelle von Schuhen. Die Mafia fĂ€hrt
Maybach und baut PalÀste. Aber es geht aufwÀrts. Auslandsarmenier
spenden krÀftig, es gibt mehr Arbeit, neue Stadtteile entstehen. In
verödeten sowjetischen Industrieruinen keimt neues Leben, auch mit
deutscher Hilfe.

FLORENTINE FRITZEN

From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress