Erste Konferenz uber Armenier-Verfolgung in Istanbul

Associated Press Worldstream – Deusche
Mittwoch, 25. Mai 2005

Erste Konferenz über Armenier-Verfolgung in Istanbul verschoben;
Nachdem Justizminister Veranstaltern Verrat vorwarf

Ankara

Drei Istanbuler Universitäten haben die erste Konferenz über die
Armenier-Verfolgung vor 100 Jahren verschoben, nachdem Justizminister
Cemil Cicek die Veranstalter der Propaganda und des Verrats
beschuldigt hatte. Die dreitägige Konferenz mit Teilnehmern aus dem
Ausland sollte am Mittwoch in Istanbul beginnen. Die abrupte
Verschiebung wirft nach Einschätzung von Beobachtern einen weiteren
Schatten auf die EU-Beitrittsbemühungen der Türkei.

Die Vertreibung von Millionen von Armeniern von 1915-1923 ist in der
Türkei ein Tabuthema. Die armenische Darstellung, der Tod von 1,5
Millionen Menschen sei ein geplanter Völkermord gewesen, wird
zurückgewiesen. Die von den Universitäten Bosporus, Bilgi und Sabanci
ausgerichtete Konferenz wäre die erste in der Türkei, auf der nicht
nur offiziell genehme Versionen der Ereignisse diskutiert würden.

Cicek sagte am Dienstag im Parlament in Ankara, einige würden sagen,
es gebe keine Freiheit in der Türkei. »Nun, es gibt die Freiheit,
Menschen ein Messer in den Rücken zu stoßen und Lügen zu erzählen …
Wir müssen dieser Zeit der Lüge … und Propaganda … ein Ende
machen.« Einige Stunden nach Ciceks Rede teilten die Veranstalter
mit, die Konferenz sei verschoben.

Eine Soziologie-Professorin aus den USA, Muge Gocek, reagierte
enttäuscht. »Es hätte ein Forum sein können, das zeigt, dass
Demokratie in der Türkei funktioniert und verschiedene Ansichten
vorgetragen werden können«, sagte sie. »Wie kann man über mich
urteilen, ohne gehört zu haben, was ich zu sagen habe?«

Vor der Bosporus-Universität demonstrierten kurz mehrere
Konferenzgegner am Mittwoch gegen »einen Versuch verräterischer
Gruppen, die Türkei schuldig zu erklären«. Die
Menschenrechts-Vereinigung in Ankara verurteilte dagegen Cicek, der
die Armenier-Konferenz mit Druck und Formulierungen verhindert habe,
die die Veranstalter zu Angriffszielen gemacht hätten.

Die Armenier-Frage ist bei den am 3. Oktober beginnenden
EU-Beitrittsverhandlungen ein zentrales Thema. Der französische
Staatspräsident Jacques Chirac hat erklärt, die Türkei müsse den
Völkermord anerkennen, bevor sie Mitglied werden könne. International
haben bisher nur wenige Länder die Massenmorde als Völkermord
anerkannt, darunter neben Frankreich Argentinien, Kanada, die
Niederlande und Russland.