Hamburger Abendblatt
6. Juni 2005
Kurzarbeit für Susi Kentikian;
BOXEN
Björn Jensen
Aschersleben/Hamburg – Es war wie immer in der noch kurzen
Profibox-Laufbahn der Susianna Kentikian. Auf der SES-Gala des
Magdeburger Promoters Ulf Steinforth in Aschersleben stieg die 17
Jahre alte Hamburgerin aus dem Spotlight-Stall zu ihrem fünften
Profikampf in den Ring – und nach nur 213 Sekunden schon wieder
heraus. Ihre zehn Jahre ältere Gegnerin Albena Atsewa aus Bulgarien
wurde nach harten Treffern aus dem Kampf genommen, die weiter
unbesiegte Kentikian durfte über den vierten Knockout-Sieg in Folge
jubeln.
Daß dieser Jubel verhalten ausfiel, spricht für die explosive
Fliegengewichtlerin. “Das war nicht die Leistung, die ich von mir
erwarte. Ich war zu hektisch”, analysierte sie selbstkritisch. Gern
hätte sie mehr gezeigt, “aber leider wollen meine Gegnerinnen oft
nicht weitermachen, wenn ich einen richtigen Treffer setze.” Die
Auswahl ihrer Kontrahentinnen will die Wandsbekerin, die in einigen
Medien schon als “Million Dollar Baby” gefeiert wurde, nicht
kritisieren. “Ich bin in der Aufbauphase. Die harten Gegnerinnen
kommen mit der Zeit. Ich muß noch viel lernen, und jeder Kampf bringt
mich weiter.”
Kämpfen hat die Armenierin, die 1996 mit ihrer Familie als
Kriegsflüchtling nach Hamburg kam, früh gelernt. Nach 20
Amateurfights wechselte sie im Januar dieses Jahres ins Profilager –
und fühlt sich dort bereits zu Hause. “Die wichtigste Änderung ist,
daß ich viele neue Fans gewonnen habe”, sagt sie. Diese neue
Bekanntheit war auch von Vorteil, als ihre psychisch kranke Mutter
Makruhi vor einigen Wochen verschwunden war. Durch
Vermißten-Meldungen in vielen Hamburger Medien wurde die
Öffentlichkeit in die Suche einbezogen, nach nur 24 Stunden war die
Mama wieder im Kreise der Familie. “Wir lassen sie jetzt keine Minute
mehr allein, aus diesem Schock haben wir gelernt”, sagt Susi.
Lernen muß die Schülerin der Berufsfachschule für Ernährung und
Hauswirtschaft auch in den kommenden drei Wochen. Im Restaurant
“Lukullion” absolviert sie ihr Betriebspraktikum. “Darauf freue ich
mich”, sagt sie. Auch wenn die Arbeit länger dauern wird als 213
Sekunden … (bj)
* In Aschersleben siegten auch die Spotlight-Boxer Enad Licina
(Cruiser, T. k. o. Runde zwei gegen den Weißrussen Solomka) und
Mahamet Ali (Halbschwer, T. k. o. Runde eins gegen den Ungarn
Geregely). Licina war für Pavel Melkomian eingesprungen, der sich
einen Bandscheiben-Einriß zugezogen hat.