Neue Zürcher Zeitung
25 Juli 2005
Türkischer Aussenminister übt scharfe Kritik an der Schweiz
Wegen Verfahren gegen Politiker
Der türkische Aussenminister Abdullah Gül hat mit scharfer Kritik auf
die Ermittlungen reagiert, welche in der Schweiz gegen den Chef der
türkischen Arbeiterpartei aufgenommen wurden. Dieser hatte den
Völkermord an den Armeniern geleugnet. Gül bezeichnete die
Einvernahme des bekannten Politikers in der Schweiz als nicht
hinnehmbar.
(ap) Es sei unmöglich, dass die Türkei solche Aktionen gegen den
Vorsitzenden einer politischen Partei des Landes akzeptieren könne,
wurde Gül am Montag in der türkischen Zeitung «Hürriyet» zitiert.
Zudem fragte sich der Aussenminister, ob solche Massnahmen zu einem
Land wie der Schweiz passten.
Äusserungen bei Medienkonferenz inkriminiert
Gül reagierte mit seinen Aussagen auf ein Strafverfahren, das in der
Schweiz gegen den Vorsitzenden der türkischen Arbeiterpartei, Dogu
Perincek, geführt wird. Perincek hatte am vergangenen Freitag in
Opfikon-Glattbrugg an einer Medienkonferenz zur Feier des 82.
Jahrestag des Lausanner Vertrags über die internationale Anerkennung
der Türkei den Völkermord an den Armeniern als Lüge bezeichnet.
Schon länger belastete Beziehungen
Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland eröffnete darauf von
Amtes wegen eine Untersuchung und führte mit Perincek eine
Einvernahme durch. Die Beziehungen zwischen der Schweiz und der
Türkei sind bereits durch ein anderes Verfahren belastet, in dem es
um eine mögliche Verletzung der Rassismusstrafnorm geht.
Handelsminister verschiebt Schweiz-Besuch
Im Visier der Strafverfolgungsbehörden ist dabei der türkische
Historiker Yusuf Halacoglu, der ebenfalls den Völkermord an den
Armeniern öffentlich geleugnet haben soll. Auch dieses Verfahren
wurde von Gül bereits öffentlich kritisiert. Der türkische
Handelsminister verschob im Juni aus Protest dagegen kurzerhand eine
geplante Reise in die Schweiz.