Ermordung von Hrant Dink: Kommentar: Täter TürkeiDie Welt 22.01.2007
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Ermordung von Hrant Dink
Kommentar: Täter Türkei
Von Boris Kalnoky
Die tödlichen Kugeln auf den türkisch-armenischen Publizisten Hrant Dink
wurden "gegen die Türkei" abgefeuert, sagte Ministerpräsident Erdogan. Von
Generalstabschef Büyükanit bis zu den Medien wurde dieses Schlagwort in der
gesamten türkischen Gesellschaft wiederholt. Es besagt, dass der oder die
Mörder eigentlich keine Türken sind, sondern Verräter, die dem Lande schaden
wollen. Die Türkei selbst ist das Opfer.
In Wirklichkeit ist es umgekehrt. Es war die türkische Gesellschaft, die
Dink zum Opfer machte, sie war es, die die Kugeln abfeuerte. Über die
zahlreichen Prozesse gegen Dink hatten die Medien berichteten. So wurde er
zum Verräter abgestempelt. Weil er Dinge sagte, die man in der Türkei nicht
sagen darf: Dass Staatsgründer Atatürk ein armenisches Waisenmädchen
adoptierte (Dink war selbst Waise) und dass es einen Völkermord an den
Armeniern gab. Dink war einer der wenigen verbliebenen Armenier in der
Türkei und fast der einzige, der öffentlich die Stimme erhob. Diese letzte
Stimme ist nun erloschen.
Mit verantwortlich sind Gesetze aus dem Arsenal von Polizeistaaten.
"Beleidigung des Türkentums", ein Hochverrats-Tatbestand, von dem niemand
außer türkischen Staatsanwälten und Militärs weiß, was er überhaupt bedeuten
soll. Der entsprechende Strafparagraf 301, Instrument des Rufmords an
Intellektuellen, sollte auf Drängen der EU abgeschafft werden, die Regierung
versprach "Änderungen". Das gilt nicht mehr – der mörderische Paragraf
bleibt bestehen, weil das Militär es so will.
In Internetforen war der Mann bereits tot, bevor er starb. Beim Istanbuler
Vizegouverneur Dündür wurde ihm gedroht. Die Polizei schützte ihn nicht,
obwohl ihm Gefahr drohte. Er wollte wohl selbst keinen Personenschutz, aber
allen muss klar gewesen sein, dass es eine Katastrophe für die Türkei und
ihr Ansehen im Ausland sein würde, wenn ihm etwas zustieße. Wer das bei den
türkischen Sicherheitsbehörden nicht erkannt hat, hat versagt.
Nun wollen alle "Hrant Dink" heißen, die ihn zuvor in die Enge trieben:
Politiker, Bürokraten und Meinungsmacher. Keiner von ihnen wird jemals
selbst erleben, was es bedeutet, von der türkischen Gesellschaft gejagt zu
werden. Daher wird sich nichts ändern.
From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress