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Killer-Queen der Herzen (in German)

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SPIEGEL ONLINE – 17. Februar 2007, 10:16

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FIGHT NIGHT AUF PROSIEBEN

Killer-Queen der Herzen

Von Peter Luley

Was für eine Überraschung: Stefan Raab moderiert mit Regina Halmich eine
Box-Show – und es macht Spaß. Die Hamburgerin Susianna Kentikian wurde in
einem blutigen Kampf Weltmeisterin und warf aus allen Ringecken Luftküsse.
Selbstverständlich wolle man bei der freitäglichen "Fight Night" seriösen
Sport präsentieren – das wurde ProSieben-Unterhaltungschef Jobst Benthues
vor der Box-Nacht nicht müde zu betonen. Bei der Vorstellung des erstmals im
Sender-Portfolio auftauchenden Programmpunkts Boxen auf der
Jahres-Pressekonferenz Ende Januar in Hamburg konnte er sich kleine
Seitenhiebe auf die derzeitigen Senioren-Comebacks von Axel Schulz und Henry
Maske bei RTL nicht verkneifen.
Frauenboxen: Kentikian verprügelt tapfere Alvarez

Im Gegensatz dazu gehe es bei der vorerst auf drei Nächte angelegten
ProSieben-Kooperation mit dem Hamburger Profistall Spotlight um ein Podium
für junge Athleten mit Zukunft. Als Nachwuchsförderer wollen die Münchner
sich ein Stück vom publikumsträchtigen Box-Kuchen im Free-TV sichern, den
bislang ARD, ZDF, RTL, DSF und Eurosport unter sich aufteilen.

Gewisse Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Unterfangens waren allerdings
angebracht. Schließlich waren als Moderatoren der Allzweck-Entertainer
Stefan Raab ("Schlag den Raab") und seine einstige Showkampf-Gegnerin Regina
Halmich gesetzt. Das Duell der beiden (bei dem die amtierende Weltmeisterin
des Verbandes WIBF dem Showmaster 2001 die Nase brach) hatte mit 55 Prozent
Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe den höchsten Wert der
Sendergeschichte erzielt.
Dazu hatte man mit dem ewigen Elton als Ringsprecher und
Michael-Buffer-Verschnitt sowie der kürzlich beim Bundesvision Song Contest
eingeführten Co-Moderatorin Johanna Klum als VIP-Befragerin die übliche
Raab-Entourage nominiert. Nicht unbedingt ein Ausweis für sportliche
Ambition.
Erneut im Ring: Raab und Halmich als Moderatoren

Was jedoch gestern ab 20.15 Uhr aus einem vergleichsweise intimen Kölner
Studio übertragen wurde, war annehmbar. Der ausnahmsweise feierlich in
Smoking und Fliege gewandete Raab ("Herzlich willkommen, mein Name ist
Waldemar Hartmann") nahm sich weitgehend zurück und schäkerte in gerade noch
erträglichem Maße über einen Revanchekampf mit der widerstrebenden Halmich.
Die demnächst rücktrittswillige 31-jährige Sportlerin ihrerseits meisterte
den Part an Raabs Seite halbwegs wacker ("Ich suche Gegner, keine Opfer,
Stefan") und tat die ersten Schritte in ihre künftige Medienkarriere.
Überdies war sie glaubwürdig als Patin ihrer designierten Nachfolgerin
Susianna Kentikian. Zwei Musik-Acts (Monrose und Manowar) auf der Strecke
von dreieinviertel Stunden waren nicht übertrieben, und Ringreporter Jan
Stecker rückte den Sportlern insgesamt nicht zu nah auf die Pelle.

Sportlich wurden drei Livekämpfe und eine Zusammenfassung geboten; zunächst
lieferten sich der von Fritz Sdunek trainierte Schweriner Mittelgewichtler
Sebastian Zbik, 24, und der aus Dänemark kommende Fawaz Nazir, 27, einen
engen, engagiert geführten 12-Runden-Kampf um die
WBO-Interkontinentalmeisterschaft, den der

Deutsche knapp nach Punkten gewann.

Babyface wollte kein "Fallobst" sein – und war es dennoch

Der altgediente Kommentator Matthias Preuß kommentierte so kundig wie
gedrosselt empathisch. Seine Einschätzungen von "ganz, ganz enge Kiste" bis
zu "etwas statisch, das letzte Risiko geht keiner ein" ließen sich allesamt
unterschreiben. Arg kurz gestaltete sich der zweite (Aufbau-)Kampf zwischen
dem Schwergewichtler Sebastian Köber, 27, aus Frankfurt/Oder und seinem
37-jährigen Gegner Zoltan Beres aus Ungarn: Bereits in der zweiten Runde
ging der Budapester mit dem vielsagenden Kampfnamen Babyface zu Boden, und
Köber wurde zum Sieger durch K.o. ausgerufen. So beklagenswert präsentierte
sich Beres, dass eilends versichert wurde, es handle sich bei ihm nicht um
"Fallobst", so etwas könne im Schwergewicht eben passieren.
Zum Höhepunkt kam es dann planmäßig ab 22.30 Uhr, mit dem als Hauptkampf
annoncierten Schlagabtausch zwischen der 19-jährigen in Hamburg lebenden
Armenierin Susianna Kentikian und der zehn Jahre älteren Venezolanerin
Carolina Alvarez. Entschlossen trieb die 1,53 Meter kleine Kämpferin mit dem
Kampfnamen Killer-Queen ihre Gegnerin vor sich her, bis der Ringrichter den
Kampf in der neunten Runde aus Rücksicht auf die stark aus der Nase blutende
Alvarez beendete.
Die Killer-Queen sprudelte über vor Danksagungen

Nicht nur dank ihrer imposanten Energieleistung, auch wegen ihrer in
gewisser Weise an "Rocky" und Eastwoods "Million Dollar Baby" gemahnenden
Biografie als Asylbewerberin, die sich ihre Aufenthaltsgenehmigung erst
erkämpfen musste, avancierte die frisch gebackende WBA-Weltmeisterin im
Fliegengewicht zur großen Gewinnerin des Abends. Spätestens, als sie nach
dem Kampf aus allen Ringecken Küsse ins Publikum warf, ihrem
Interviewpartner Stecker das Mikrofon aus der Hand nahm und es vor lauter
Danksagungen gar nicht mehr hergeben wollte, wurde sie zur Killer-Queen der
Herzen.
Ob der Sender mit seiner neuartigen Sport-und-Show-Kombination dauerhaft den
gewünschten Erfolg – einen zweistelligen Marktanteil in der Zielgruppe –
erreichen kann, wird sich zeigen müssen. Eine gewisse Kondition im Kampf ums
Publikumsinteresse dürfte angesichts der weitgehend unbekannten
Newcomer-Sportler schon gefordert sein.

Gestern jedenfalls hatte das Faustkampf-Spektakel gegen Karneval aus Mainz
(ARD, 7,16 Millionen Zuschauer) und "Wer wird Millionär" (RTL, 7,04
Millionen Zuschauer) keine Chance und blieb mit 1,3 Millionen Zuschauern (7
Prozent Marktanteil in der Zielgruppe) hinter den Erwartungen zurück.
Aber wem, wenn nicht den innovationsfreudigen Münchnern sollte man derzeit
einen solchen langen Atem zutrauen? Mit Kentikian hat man nun jedenfalls
schon so etwas wie einen ersten Star im Stall, mit dem es sicherlich ein
Wiedersehen geben wird.

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