Der US-Prasident und das gebrochene Herz der Turkei

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06.04.09, 12:11

Der US-Präsident und das gebrochene Herz der Türkei

In der Türkei schlägt der Besuch von US-Präsident Barack Obama hohe
Wellen. Die Herzen des Landes seinen in den letzten acht Jahren
gebrochen worden, so eine Zeitung. Der Besuch von Obama ist für die
Türkei somit mehr als ein symbolischer Schritt.
Er ist da. Allein das ist schon ein Erfolg: ?Welcome Mr. President`
begrü�te die Zeitung ?Hürriyet` Barack Obama am Montag in der Türkei.
?Sie sind in einem Land angekommen, das ein Freund der Vereinigten
Staaten ist. Aber unsere Herzen wurden in den letzten acht Jahren
gebrochen.` Nun sei es an der Zeit, dies wieder gutzumachen, schrieb
?Hürriyet` an den US-Präsidenten. Damit umriss die Zeitung auch die
Bedeutung des Besuchs: Er ist ein symbolischer Schritt, um dem
muslimischen NATO-Partner und bedeutenden Verbündeten im Nahen und
Mittleren Osten Respekt zu erweisen.

?Die Atmosphäre des Besuchs ist genauso wichtig wie der Inhalt`, sagt
Hugh Pope, der bei der International Crisis Group in Brüssel für die
Türkei zuständig ist. Bereits vor seiner Ankunft in der Türkei am
(gestrigen) Sonntag goss Obama Balsam auf wunde türkische Seelen, als er
sich beim EU-USA-Gipfel in Prag klar für einen Beitritt des Landes zur
Europäischen Union aussprach. Eine EU-Mitgliedschaft wäre ein positives
Signal für die islamische Welt, sagte Obama. Damit skizzierte er auch
das zweite gro�e Thema seines Besuchs in der Türkei: Nach acht Jahren
der Regierung von Expräsident George W. Bush und dem Irak-Krieg will
Obama die Beziehungen zur muslimischen Welt verbessern.

?Die Tatsache, dass Obama die Türken am Ende seiner Europa-Reise
besucht, ist eine Hommage an das Land`, sagt der Politikwissenschaftler
Jeffrey Martinson von der Universität Meredith im US-Staat North
Carolina. Doch es geht nicht nur um Symbolik: Die Türkei ist neben
�gypten der engste muslimische Verbündete der USA und eine Regionalmacht
im Nahen und Mittleren Osten, zumal eine diplomatische.

Ankara hat in jüngster Vergangenheit zwischen Syrien und Israel
vermittelt, und auch im Nahost-Konflikt zwischen Palästinensern und
Israelis versuchte die Türkei, eine Kompromisslösung herbeizuführen.
Zudem beteiligt sich die Türkei als einziges muslimisches Land am
NATO-Einsatz in Afghanistan. Der Einsatz und ein von Obama angekündigter
Strategiewechsel dort sollte daher in den Gesprächen mit der türkischen
Regierung und Präsident Abdullah Gül ebenfalls eine Rolle spielen.

*Gespräche über Nachbarstaat Irak*

Doch auch die Nachbarschaft der Türkei wird für Gesprächsstoff sorgen,
besonders Iran und Irak. Ankara will einen stabilen Irak, sich jedoch
gleichzeitig das Recht vorbehalten, Stellungen der kurdischen Rebellen
im Norden des Landes anzugreifen. Die USA hingegen wollen den Stützpunkt
im türkischen Incirlik offenbar verstärkt für den Abzug aus dem Irak
nutzen. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte
Expräsident Bush zu Beginn des Irak-Kriegs noch untersagt, türkischen
Boden für Truppentransporte zu nutzen. Auch der östliche Nachbar Iran
wird wegen dessen mutmaÃ?lichem Atomwaffenprogramm in den kommenden
Monaten die diplomatische Agenda beherrschen.

In Ankara sowie in Istanbul herrschten schon das ganze Wochenende
scharfe Sicherheitsvorkehrungen. In beiden Metropolen demonstrierten vor
dem Besuch des US-Präsidenten mehrere tausend Menschen gegen die
amerikanische AuÃ?enpolitik. In Istanbul wurden rund 9.000 Polizisten in
Alarmbereitschaft versetzt. Tausende Demonstranten stellten sich derweil
auf weitere Protestaktionen ein.

*?Völkermord an Armeniern eine gut dokumentierte Tatsache`
*
Eine Klippe wird Obama wohl umschiffen wollen: Die Erwähnung des
Vorgehens der Türkei gegen die Armenier zu Beginn des 19. Jahrhundert,
für das er als Präsidentschaftskandidat noch sehr deutliche Worte fand.
?Der Völkermord an den Armeniern ist kein Vorwurf oder eine persönliche
Meinung, sondern vielmehr eine gut dokumentierte Tatsache.` Dafür gebe
es überwältigende historische Beweise, hie� es im Januar 2008 in eine
Stellungnahme Obamas.

Historiker gehen davon aus, dass im Osmanischen Reich bis zu 1,5
Millionen Armenier vor und während des Ersten Weltkriegs getötet wurden.
Doch in der Türkei ist das Thema Tabu: Es gab keinen Völkermord, sondern
Bürgerkrieg und längst nicht so viele Opfer, hei�t es dort. Bestrebungen
im US-Kongress, das Vorgehen als Völkermord zu verurteilen, führen
regelmä�ig zu Verstimmungen im bilateralen Verhältnis. In den USA lebt
eine groÃ?e Exilgemeinde der Armenier.

?Amerika verdient eine Führungspersönlichkeit, die wahrheitsgemä� über
den Völkermord an den Armeniern spricht und die sich mit Nachdruck gegen
jeden Genozid wendet`, erklärte Obama im vergangenen Jahr. Gegenüber der
Führung in Ankara, die sich zuletzt in kleinen Schritten um eine
Aussöhnung mit Armenien bemühte, sollte er das am besten verschweigen,
meint der Politikwissenschaftler Martinson. ?Der intelligenteste Umgang
mit Armenien ist zu versuchen auszublenden, was er während des
Wahlkampfs gesagt hat.`

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