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Der Standard.At 29.April 2005

Journalist wegen “Beleidigung der Türkei” vor Gericht

Kritik an Zeile der türkischen Nationalhymne hat gerichtliches
Nachspiel

Ein türkisch-armenischer Journalist steht seit Freitag
wegen Beleidigung der Türkei vor Gericht. Der Redakteur der
türkisch-armenischen Zeitung “Agos”, Hrant Dink, ist nach eigenen
Angaben wegen Äußerungen angeklagt worden, die er vor drei Jahren in
der südtürkischen Stadt Sanliurfa machte. Der Prozess sei nach der
Eröffnung, bei der er nicht anwesend gewesen sei, bis 7. Juli vertagt
worden, sagte Dink der Nachrichtenagentur AP in einem Telefongespräch.

Dink hatte auf einer Konferenz 2002 Kritik an der türkischen
Nationalhymne und an einem Eid geäußert, den türkische Schulkinder
jeden Morgen vor Unterrichtsbeginn sprechen. Eine Zeile der Hymne,
in der vom Stolz auf die Zugehörigkeit zur “heroischen Rasse” die
Rede ist, bezeichnete er ebenso als diskriminierend wie den Satz
in dem Schülerschwur: “Glücklich ist derjenige, der sagt: ‘Ich bin
ein Türke.'” Er habe damals gesagt, dass er ein Bürger der Türkei,
aber Armenier sei.

Schwieriges Verhältnis

Der Fall gilt als ein Beispiel für das schwierige Verhältnis der
Türkei zu ihren Minderheiten auf dem Weg zu Reformen, die ihr den
Beitritt zur EU ermöglichen sollen. Die Regierung hat zugesagt,
Beschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung aufzuheben.

Die türkische Regierung erklärte unterdessen, sie sei zur Aufnahme
diplomatischer Beziehungen mit Armenien bereit, wenn das Nachbarland
der Bildung einer gemeinsamen Kommission zur Erforschung der
Armenier- Verfolgung von 1915 bis 1923 zustimmt. Die Türkei
betrachtet die Verfolgung, bei der 1,5 Millionen Armenier umkamen,
nicht als Völkermord. Das Osmanische Reich habe damals seine
Grenzen gegen Russland verteidigt und sei gegen militante Armenier
vorgegangen. (APA/AP)

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