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Die Welt
18 juni 2005

Graffiti-Sprayern droht erstmals GefÀngnis

Bundestag erweitert Strafgesetz – Fuhrerschein mit 17 auf dem Weg –
Turkei kritisiert Armenien-Beschluß

Graffiti-Kunst in Heidelberg
Foto: dpa

Berlin – Graffiti-Sprayer konnen kunftig leichter strafrechtlich
verfolgt werden. Nach jahrelangen Kontroversen haben in “großer
Koalition” SPD und Union sowie die Mehrheit der Grunen im Bundestag
eine VerschÀrfung des Tatbestands der SachbeschÀdigung beschlossen.
Es kommt kunftig nicht mehr darauf an, daß durch Schmiererei auch die
GebÀudesubstanz wie etwa der Putz geschÀdigt wird, weil sich das
Graffiti nur so entfernen lĂ€ĂŸt. Schon die Schmiererei selbst kann
strafbar sein. Grune und SPD hatten sich in dieser Frage seit 1998
gegenseitig blockiert. Nach SchÀtzungen belaufen sich die Kosten
infolge von Graffiti-SchÀden jÀhrlich auf 200 bis 500 Millionen Euro.

Die Union wollte ursprunglich deutlichere Formulierungen im Gesetz.
CDU und CSU stimmten aber zu, um im Wahlkampf den Eindruck zu
vermeiden, sie wurden sich einem hÀrteren Vorgehen gegen Graffiti
verweigern. Im Bundesrat werden nach die unionsgefuhrten LĂ€nder das
Gesetz ebenfalls passieren lassen, so daß es noch vor dem
voraussichtlich vorzeitigen Ende der Wahlperiode endgultig
verabschiedet werden kann. Die FDP sah das Gesetz als unzureichend
an.

Die CSU-Rechtspolitikerin Daniela Raab meinte, mit dem Gesetz wurden
zwar nicht mehr Sprayer gefaßt. Es konnten die gestellten TĂ€ter aber
“endlich angemessen” zur Rechenschaft gezogen werden. Bislang war die
Verfolgung von Farbschmierereien nur schwer moglich. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konnte ein Sprayer nur dann
verfolgt werden, wenn durch die Schmiererei “die Substanz einer Sache
erheblich verletzt” war.

In Strafprozessen mußte daher oft ein Gutachter klĂ€ren, ob das
Entfernen des Graffito etwa den Putz oder das Mauerwerks eines Hauses
beschĂ€digt hat. Allein die VerĂ€nderung des Ă€ußeren Erscheinungsbildes
eines GebÀudes reichte fur die Bestrafung nicht aus. Nun wird das
Strafgesetzbuch durch eine weitere Tathandlung ergÀnzt. Strafbar ist
nun auch “die unbefugte nicht nur unerhebliche und nicht nur
vorubergehende VerĂ€nderung des Erscheinungsbildes einer Sache”.

Zudem hat die rot-grune Koalition das umstrittene Gesetz zum Schutz
vor Diskriminierung verabschiedet. Die Regelung sieht vor, daß im
GeschÀftsverkehr niemand wegen Rasse, ethnischer Herkunft,
Geschlecht, Behinderung, Alter, sexueller Orientierung, Religion und
Weltanschauung benachteiligt werden darf. Zu der Regelung, mit der
mehrere EU-Richtlinien umgesetzt werden sollen, gehoren eine Reihe
arbeitsrechtlicher Vorschriften. Die Union machte umgehend deutlich,
daß sie das Gesetz uber den Bundesrat zu Fall zu bringen will. Uber
das Antidiskriminierungsgesetz ist seit der ersten Lesung vor funf
Monaten heftig gestritten worden. Die Kanzlerkandidatin der Union,
Angela Merkel, hatte bereits angekundigt, das Gesetz spÀtestens nach
einem Machtwechsel zuruckzunehmen. CDU/CSU und FDP argumentierten,
sie seien zwar fur den Schutz vor Diskriminierung, aber das Gesetz
gehe weit uber die von der EU festgelegte Richtlinie hinaus und
schaffe neue burokratische Hurden. Die MißrauchsanfĂ€lligkeit werde
dramatisch erhoht. Richterbund, JuristenverbÀnde und die IG Chemie
hatten das Gesetz bereits als Abkehr vom Grundprinzip der
Vertragsfreiheit kritisiert. Der unionsdominierte Bundesrat wird zu
dem Gesetz vermutlich den Vermittlungsausschuß anrufen.

Weitere Beschlusse sind der Fuhrerschein mit 17, der fortan in
bestimmten BundeslÀndern erworben werden kann, wenn dort
Modellversuche zum “Begleiteten Fahren” angeboten werden.
MinderjÀhrige FahranfÀnger durfen dann das Fahrzeug nur in Begleitung
einer “namentlich benannten” Person fuhren. Verstoße fuhren zum
sofortigen Widerruf der Fahrerlaubnis.

Indes hat die turkische Regierung heftig auf den Bundestagsbeschluß
zur Armenierfrage reagiert. MinisterprÀsident Recep Tayyip Erdogan
sprach von einem “hĂ€ĂŸlichen” Beschluß und warf Kanzler Gerhard
Schroder (SPD) vor, nicht zu seinen fruheren Äußerungen in der Frage
der turkischen Massaker an den Armeniern 1915 zu stehen. Der
Bundestag hatte einem Antrag aller Fraktionen zugestimmt, der an die
Vertreibung und das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich
erinnert. Demonstranten schimpften vor der deutschen Botschaft in
Ankara uber “Hitlers Bastarde”. Ring

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http://www.welt.de/data/2005/06/18/733413.html